Antworten zu grundsätzlichen Fragen.
Wenn eine urteilsfähige Person freiwillig nicht mehr isst und auch mehr oder weniger auf Trinken verzichtet mit dem Ziel, sterben zu können respektive «den Eintritt des Todes zu beschleunigen» (wie es zuweilen ausgedrückt wird), nennt man dies in der Alltagssprache oft Sterbefasten. Es geht hierbei also um solche Menschen, die entweder noch selbstständig essen und trinken können oder zumindest die von Pflegenden angereichte Nahrung und Getränke noch (normal) zu sich nehmen können. Am Anfang des Sterbefastens steht wie bei einem rationalen Suizid der wohlüberlegte und über längere Zeit feststehende Entschluss, das Leben vorzeitig zu beenden: Man stirbt, weil man nicht mehr isst und trinkt.
Vor allem Mediziner verwenden im deutschsprachigen Gebiet der Schweiz oft den Ausdruck «terminales Fasten» anstelle des Wortes Sterbefasten.
FVNF ist die Abkürzung für «Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit», ein Ausdruck, der sich weitegehend mit dem Begriff Sterbefasten deckt. Die Abkürzung FVNF wird generell in der Medizin bevorzugt. Allerdings fällt darunter auch das Ablehnen oder Beenden einer künstlichen Ernährung, wenn man auf eine solche zum Weiterleben angewiesen ist.
Im englischen Sprachraum gibt es mehrere Bezeichnungen: Heutzutage verwendet man meistens VSED = Voluntar(il)y Stopping Eating and Drinking; früher sprach man meist von VRFF = Voluntary Refusal of Food and Fluid. Hie und da hört oder liest man auch den Ausdruck «Termination by Dehydration».
Viele todkranke Menschen verspüren kaum mehr Hunger oder Durstgefühle und verzichten daher spontan in ihren letzten Lebenstagen auf Essen und Trinken: Man trinkt und isst nicht mehr, weil man stirbt. Zudem: Bei einigen zum Tode führenden Erkrankungen kann der Sterbende meist wegen Schluckbeschwerden kaum mehr etwas essen oder trinken.
Nicht im engeren Sinne, denn es handelt sich um den Abbruch einer medizinischen Massnahme, ohne die diese Person sehr wahrscheinlich bereits gestorben wäre. Kranke oder körperlich stark eingeschränkte Menschen, die künstlich ernährt werden, haben das Recht, irgendwann auf diese Therapie zu verzichten, um sterben zu können. Man könnte dann durchaus von einem Freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit sprechen, auch wenn dies eher unüblich ist.
Im Prinzip ja. Generell gilt jedoch wahrscheinlich, dass man bei jüngeren Menschen grössere Durstprobleme auftreten als bei älteren. Wenn jemand jünger als etwa 60 Jahre ist, könnte das Sterbefasten sehr schwierig sein, sofern er /sie nicht unter einer schweren Erkrankung mit infauster Prognose leidet. Sterbefasten ist eine Form des Sterbens, die sich besonders gut für alte und kranke Menschen eignet, die selbstbestimmt aus dem Leben scheiden wollen. Voraussetzung für ein betreutes Sterbefasten ist in jedem Fall, dass die sterbewillige Person urteilsfähig ist und demnach die Tragweite ihres Entschlusses beurteilen kann.
Das ist möglich. Wenn man keine Krankheit hat, die innerhalb etwa eines halben Jahres ohnehin zum Tode führt, muss der / die Sterbewillige auf jeden Fall urteilsfähig und der Sterbewunsch wohlerwogen und langanhaltend sein. Manchmal müssen die Mediziner jedoch in den solchen Fällen abklären, ob nicht eine Depression vorliegt, die sie behandeln könnten. Bei einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften hatten fast 30 Prozent der Verstorbenen keine schwere, zum Tod führende Krankheit.
Laut einer Studie «Sterbefasten» der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften litten die meisten der mit FVNF Verstorbenen an einer onkologischen (mehr als 40 Prozent) Erkrankung. Knapp 16 Prozent hatten eine neurologische Erkrankung oder waren multimorbid. Gut ein Drittel war nicht sterbenskrank. Die Verstorbenen stammten aus den verschiedensten sozialen Schichten. Eine Grosszahl (63 Prozent) waren Frauen. Die Lebenserwartung betrug bei fast der Hälfte weniger als vier Wochen.
Aus Studien wissen wir, dass bis zu 35 Prozent der Patienten in stationären Hospizen starke Schmerzen und etwa 25 Prozent Atemprobleme haben. Wenn solche Symptome auch bei guter palliativer Pflege weiterbestehen und Leiden verursachen, oder wenn eine andere für den Patienten unerträgliche Situation über längere Zeit bestehen bleibt (beispielsweise Lähmungen, unzumutbare Behinderungen, Krankheiten, die ohnehin zum Tode führen), entscheiden sich manche Menschen dafür, den Sterbeprozess und damit das Leiden zu verkürzen. Eine Möglichkeit dazu ist das Sterbefasten.
Bei kranken Menschen, die zu Hause leben, dürften auch noch andere Gründe mitspielen: Die Angst vor dem Verlust der Autonomie, pflegeabhängig zu werden, in ein Pflegeheim gehen zu müssen.
Es gibt keine verlässlichen Statistiken über die Zahl der Menschen, die selbstbestimmt durch Sterbefasten sterben. Fachleute schätzen, dass in der Schweiz etwa einer von 100 Betagten durch Sterbefasten aus dem Leben scheidet. Das wären jährlich einige hundert Personen. Zwei in Holland durchgeführte Studien besagen, dass dort möglicherweise jährlich etwa 600 bis etwa 2‘000 Menschen durch Sterbefasten aus dem Leben scheiden.
Das FAQ-Dokument Sterbefasten erstellten Christian Walther und Peter Kaufmann exklusiv für die Stiftung palliacura.
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