Sterbefasten- Informationen zu FVNF 
            Sterbefasten- Informationen zu FVNF 
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​Fall 1: «Ein glücklicher Tod nach einem gut verbrachten Leben»

Alter: 92; Geschlecht: weiblich; Ort: zuhause (D)

Persönlichkeit: Frau M. war eine ausgesprochen resolute Person. Sie arbeitete zunächst als kaufmännische Angestellte und heiratete später einen freiberuflich tätigen Kaufmann. Viele Jahre widmete sie sich dann den Kindern - zwei Töchtern und einem Sohn. Als diese selbständig geworden waren, arbeitete sie fast 20 Jahre als Kinderturn- und Seniorentanzlehrerin. Im Laufe der Jahre dachte sie immer wieder über Sterben und Tod nach und diskutierte mit anderen darüber.

Vorgeschichte: Frau M. war bis zum 86. Lebensjahr kerngesund. Mit 92 wurde bei ihr gänzlich unerwartet ein Bauchspeicheldrüsen-Krebs festgestellt. Wegen der bereits vorhandenen Metastasen wurde von einer Behandlung abgesehen, was auch der Wunsch der Patientin war.

Motivation: Nach der Krebsdiagnose war die Patientin zuerst völlig am Boden zerstört. Als sie sich dann mit ihrer Situation gelassener auseinandersetzen konnte, wurde ihr klar: Bei fortschreitender Krebserkrankung auf palliative Massnahmen angewiesen zu sein und irgendwann in einer Art Dämmerzustand zu sterben, kam für sie nicht in Frage. Es ging nun darum, das Leben möglichst bald und friedlich zu beenden.

Grund für die Wahl des Sterbefastens: Jahrelang bestand bei Frau M. der Vorsatz, notfalls «in die Schweiz zu reisen», doch nun erschien ihr dies nicht mehr möglich. Eine ihrer Töchter suchte daher für sie nach Alternativen. Bei Internet-Recherchen stiess sie auf das Thema Sterbefasten. Sie besorgte dazu mehrere Bücher, welche dann auch ihre Mutter las.

Entscheidungsfindung: Frau M. entschied sich für diesen Weg ganz selbständig und bat ihre Tochter, die in der Schweiz lebte, sie dabei zu begleiten. Diese begab sich daraufhin nach Deutschland und nahm Kontakt mit der Hausärztin der Mutter auf. Die Ärztin hatte zwar noch keinen FVNF begleitet, war hierfür aber sehr aufgeschlossen. Nun kamen Zusagen von einem Palliativ-Care-Team sowie von einem ambulanten Hospizdienst und dem Arbeiter-Samariter-Bund, Frau M. auf ihrem Weg zu unterstützen. Auch die beiden anderen Kinder zeigten Verständnis für die Entscheidung der Mutter.

Schwierigkeiten: Zwar gab es keine besonderen Probleme mit Durst, doch gegen Ende des Sterbefastens schmeckten der Patientin die mit Honigwasser angefeuchteten Lollies nicht mehr. In den letzten zwei Nächten des FVNF kam es zu Schlafstörungen und motorischer Unruhe. Daraufhin erhielt die Patientin mehrfach täglich ein Benzodiazepin. Ausgerechnet in der Nacht vor ihrem Tode hatte sie überraschend noch etwas Stuhlgang.

Pflegerische Unterstützung: Bis kurz vor dem Ende des FVNF konnte die Tochter fast allein die Pflege durchführen, nicht zuletzt, weil die Mutter noch gut bei Kräften war und vieles noch selber machte. Meist besuchte jemand vom Ambulanten Hospizdienst die Mutter für etwa eine Stunde und unterhielt sich mit ihr, während die Tochter ausser Hauses war. An den letzten drei Tagen kam morgens jemand vom Arbeiter-Samariter-Bund. Die Mundpflege konnte von der Tochter professionell durchgeführt werden, da sie dazu ausführliche Informationen von einer Expertin erhalten hatte. In den letzten drei Tagen benötigte die Sterbende eine Inkontinenzvorlage.

Ärztliche Unterstützung: Die Hausärztin war auf Abruf verfügbar. Sie telefonierte alle paar Tage mit der Patientin, was dieser vollauf genügte. Gleich zu Beginn des FVNF wurde ein Abführmittel verabreicht, und es wurden sämtliche Medikamente abgesetzt. Für den Fall, dass es zu massiven Schlafstörungen oder Unruhe kommen sollte, wurde ein hochwirksames Benzodiazepin verordnet.

Dauer: 17 Tage.

Tod: In der Nacht vor dem Tode war es zu starker motorischer Unruhe – nicht aber zu Schmerzen – gekommen. Die Tochter bat daher am nächsten Morgen das Palliative-Care-Team um einen Besuch. Auch die Hausärztin kam noch einmal vorbei. Für alle Fälle wurden Morphingaben vorbereitet. Jedoch verlief der letzte Tag dann sehr ruhig und friedlich. Die Patientin schlief fast nur noch, und am späten Nachmittag hörte sie zu atmen auf.

Bewertung seitens der Sterbenden: Nachdem sie sich für den FVNF entschieden hatte, genoss sie bis kurz vor ihrem Ende immer wieder die Gesellschaft von Angehörigen und Freunden und nahm heiter von diesen Abschied. Ihre Stimmung war bis gegen Ende ausgeglichen. Zweifel an ihrer Entscheidung zum FVNF hatte sie nie.

Sicht der Angehörigen im Rückblick: Aussage der betreuenden Tochter: «Wir haben … eine tolle Familie, die ohne Ausnahme die Entscheidung der Mutter mitträgt.» Diese Sicht besteht weiterhin. Das Sterbefasten der Mutter wurde als richtig und gut erfahren.

Anmerkungen: Dieses erste Beispiel aus unserer Fallkollektion ist ungewöhnlich gut verlaufen und darf Mut machen. Wie die vielen weiteren Fälle zeigen, kann das Sterbefasten auch schwieriger sein, wird aber am Ende fast immer als richtige Entscheidung in einer gegebenen Situation bewertet. Denkbar ist allerdings, dass man fast nie etwas von negativen Erfahrungen mit dem FVNF erfährt; möglicherweise wollen sich die Hinterbliebenen gegenüber Dritten nur ungern darüber äußern.

Quelle: Ein sehr ausführliches Tagebuch der betreuenden Tochter, das sie uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. E-Mails und Telefongespräche von C.W. mit der Tochter.