Sterbefasten- Informationen zu FVNF 
            Sterbefasten- Informationen zu FVNF 
            Sterbefasten- Informationen zu FVNF

Fall 5: ​«Letzter Ausweg, friedliches Sterben»

Alter: 58; Geschlecht: männlich; Ort: zuhause (GB)


Persönlichkeit: Beruf: Bauingenieur; Sportler, Globetrotter, Familienvater. Tony Nicklinson war scharfsinnig, humorvoll, sehr energisch und gut sozialisiert.

Vorgeschichte: Mit 51 Jahren erlitt er einen Schlaganfall, nach dem er unterhalb des Kopfes gelähmt war. Er konnte zugereichte Nahrung zwar noch aufnehmen und schlucken, musste aber weitgehend über eine Magensonde ernährt werden. Es bestand also ein nicht ganz vollständig ausgeprägtes Locked-in-Syndrom. Die Kommunikation war nur noch durch Augenbewegungen möglich, mit denen er – oft mit Unterstützung einer Hilfsperson – einen Computer zum Schreiben benutzte.

Motivation: Beklemmendes Erleben der Hilflosigkeit und des Angewiesenseins auf eine mühsame Technik der Kommunikation; Furcht vor solch einer Existenz in höherem Alter.

Grund für die Wahl des Sterbefastens: Sein jahrelanges Ringen mit der englischen Justiz blieb erfolglos: Nicklinson wurde keine ärztliche Sterbehilfe (also Tötung mittels einer Spritze) zugestanden. Nach einem weiteren Urteil in dieser Sache, entschloss er sich zum Sterbefasten, weil er nicht mehr weiter kämpfen konnte. Zuvor hatte er sich für ein Recht auf Sterbehilfe öffentlich (unter anderem über Twitter) intensiv eingesetzt.

Entscheidungsfindung: In gutem Einvernehmen mit der Familie (keine Information betreffs ärztlicher Unterstützung)

Schwierigkeiten: Keine Einzelheiten bekannt; der physische Zustand des Patienten verschlechterte sich bald drastisch, wohl vor allem wegen einer Lungenentzündung, die er sich schon nach wenigen Tagen zugezogen hatte.

Pflegerische Unterstützung: Keine Berichte

Ärztliche Unterstützung: Keine Einzelheiten; eine Patientenverfügung, die das Behandeln einer Pneumonie untersagte, wurde offensichtlich befolgt.

Dauer: 6 Tage

Tod: Der Patient schlief friedlich ein.

Bewertung seitens des Sterbenden: Letzter, von ihm so nicht gewünschter Ausweg aus seiner Lage.

Sicht der Angehörigen im Rückblick: Ein friedliches Sterben

Anmerkungen: Wegen der Lungenentzündung kann man nicht beurteilen, ob Sterbefasten die Todesursache war. Sein Fall wurde von einer breiten Öffentlichkeit verfolgt. Man könnte einwenden, dass Tony NIcklinson ja gar nicht mehr in der Lage war, selbständig zu essen und zu trinken. Manche sehen es daher in solchen Fällen als nicht angemessen an, von einem Sterbefasten zu reden. Wichtiger erscheint uns jedoch, dass es viele Menschen weltweit gibt, die aufgrund vergleichbarer Situationen endlich sterben möchten und dazu allenfalls - eigentlich gegen ihren ursprünglichen Willen! - die Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit beenden müssen.

Quelle: The Guardian, 22. August 2012

Hinweis: Der Fall Tony Nicklinson wird im Buch «Sterbefasten» (Kohlhammer, 2022) ausführlicher dargestellt.