Sterbefasten- Informationen zu FVNF 
            Sterbefasten- Informationen zu FVNF 
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Fall 21: ​«Der Demenz durch Sterbefasten noch entkommen»

Alter: 79; Geschlecht: männlich; Ort: zunächst zuhause, zuletzt im Pflegeheim (D)

Persönlichkeit: Er hatte Drucktechnik an einer Fachhochschule unterrichtet. Willensstark; gelassen, mit sich sozusagen im Reinen und zufrieden. Hatte wenig soziale Kontakte. Sehr belesen; besonderes Interesse am Thema «Gehirn».

Vorgeschichte: Er hatte eine milde Form der Epilepsie, die medikamentös gut eingestellt war. Es ist anzunehmen, dass sich erste Anzeichen einer beginnenden Demenz mehr als ein halbes Jahr vor seinem Tode zeigten und ihm dies bewusst war. Mehrere Wochen vor Beginn des FVNF kam es zu einer Pneumonie mit Krankenhausaufenthalt und anschliessend deutlicher Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Zunahme von Wortfindungsstörungen. Es wurde die Diagnose Alzheimer gestellt.

Motivation: Er hatte offenbar Sorge vor weiterer Verschlechterung des Allgemeinbefindens und dem Fortschreiten der von ihm bereits seit längerem bemerkten demenziell-kognitiven Veränderungen. Darüber wurde aber kaum gesprochen. Man darf vermuten, dass er immer wieder sehr konkret über den richtigen Zeitpunkt, Schluss zu machen, nachgedacht hatte.

Grund für die Wahl des Sterbefastens: Etwa ein halbes Jahr zuvor hatte er einen Artikel aus einer deutschen Tageszeitung über den FVNF gelesen. Diesen Text schnitt er aus, um ihn aufzuheben. Er zeigte ihn seiner Frau und erklärte, so werde er es später machen.

Entscheidungsfindung: Rückblickend ist es sehr wahrscheinlich, dass der Patient gleich am Tag nach der Diagnose-Stellung «Alzheimer-Krankheit» mit dem FVNF begonnen hatte, ohne dies mitzuteilen. Als es nach zwei Tagen ohne Nahrung und Flüssigkeit zu Desorientierungsproblemen und einem Sturz kam, wurde ein Arzt konsultiert. Dieser drängte die Ehefrau, ihm zu essen und zu trinken zu geben. Es wurde indessen nur ein einziger, erfolgloser Versuch unternommen, denn die Ehefrau wollte ihren Mann in seinem Vorhaben unterstützen, da für sie die Gründe seines Handelns auf der Hand lagen.

Schwierigkeiten: Nach dem Sturz kam es binnen weniger Tage zu einer rapiden Zunahme der dementiellen Beschwerden. In der letzten Phase: Eine Pflegeschwester und der Heimleiter des Pflegeheims stellten die Entscheidung zum Sterbefasten in Frage; auch von rechtlichen Schwierigkeiten bei der Unterstützung war die Rede. Die Ehefrau hatte gegenüber den Fachpersonen einen schweren Stand, da sie keine Vollmacht hatte und es auch keine Patientenverfügung des Ehemanns gab. Dennoch konnte sie zum Beispiel verhindern, dass diesem subkutan Flüssigkeit verabreicht wurde.

Pflegerische Unterstützung: Als sich die Phasen der Desorientiertheit zuspitzten, trat die Ehefrau mit der Leiterin einer Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz in Kontakt. Sie holte sich ausserdem von einem Hospiz Informationen zum Sterbeprozess und zu Unterstützungsmöglichkeiten. Die praktische Pflege wurde grossenteils von der Tochter übernommen, einer ehemaligen Krankenschwester, die in der Verwaltung einer Klinik arbeitet. Sie erhielt dank ihrer Kontakte zu Palliativmedizinern nützliche Beratung. Als die Tochter dann aber wieder zur Arbeit gehen musste und die Ehefrau mittlerweile völlig entkräftet war, wurde der Sterbewillige – einen Tag vor seinem Tod – ins Pflegeheim gebracht.

Ärztliche Unterstützung: Der Hausarzt war zwar involviert und kam, wenn er darum gebeten wurde. Er wirkte jedoch distanziert hinsichtlich der Entscheidung zum FVNF und verschrieb (prophylaktisch) lediglich Schmerzmittel zur oralen Einnahme. Der Sterbewillige hatte jedoch grosse Schwierigkeiten, diese einzunehmen und verzichtete daher auf diese Medikamente.

Dauer: 7 Tage. Vor der Krankenhaus-Entlassung war noch eine Flüssigkeits-Infusion verabreicht worden. Der FVNF erfolgte dann sehr konsequent, das heisst es wurde nichts mehr gegessen und Flüssigkeit nur in kleinsten Mengen bei der Mundpflege aufgenommen.

Tod: Über die letzten Stunden des Patienten und sein Sterben erhielten wir keine Informationen.

Bewertung seitens des Sterbenden: Nachdem er mit dem FVNF begonnen hatte, äusserte er gelegentlich, dass er genau wisse, was um ihn herum passiere und was mit ihm los sei. Ansonsten wirkte er weitgehend teilnahmslos. Man darf vermuten, dass er in klaren Momenten zufrieden war, dass er den langgehegten Vorsatz durchführen konnte.

Sicht der Angehörigen im Rückblick: Die Ehefrau hätte gerne im Vorhinein mit ihrem Mann darüber gesprochen, sich vorbereitet und Dokumente und pflegerische Unterstützung organisiert. Da sich die Ereignisse überstürzten, war dies nicht mehr möglich gewesen. Vor allem deshalb zehrte das Sterben ihres Ehemanns extrem an ihren Kräften. Die vorwurfsvollen Haltungen der Pflegepersonen hatten sie zusätzlich sehr bedrängt. Nachträglich war sie sehr froh, dass ihr Mann nicht lange leiden musste und sie ihm das Sterben ermöglicht hatte. Die Ehefrau verliess sich in der Situation fast ganz auf die Stieftochter, die die «Verantwortung» für den letzten Willen ihres Vaters übernommen hatte und sich für diesen tatkräftig gemeinsam mit der Ehefrau einsetzte. Auch die Stieftochter war mit dem vorzeitigen Sterben des Vaters voll einverstanden und bewertet ihre Mitwirkung rückblickend ebenfalls ohne Einschränkungen als positiv.

Anmerkungen: Der Sterbewillige erweckte zu keiner Zeit den Eindruck, dass er an Durstproblemen litt. Im vorliegenden Fall gelang es jemandem, trotz der bereits bestehenden und sich rapide verschlimmernden Demenzerkrankung noch das Sterbefasten durchzuführen. Es liegen diesbezüglich insgesamt jedoch zu wenige Erfahrungen vor, so dass man dieses sehr spezielle Beispiel nicht verallgemeinern darf.

Quelle: Die Ehefrau gewährte zwei Personen, die sich publizistisch beziehungsweise wissenschaftlich mit FVNF befassen, ausführliche Interviews.