Persönlichkeit: Vital-sportlich; sehr gepflegtes Äußeres; gut und anspruchsvoll sozialisiert; sehr auf Autonomie bedacht
Vorgeschichte: fortgeschrittene Parkinsonsche Krankheit: konnte nicht mehr aufstehen; Schluckbeschwerden, Verschleimung, zum Teil mit Erstickungsanfällen; soziale Isolierung auch wegen Sprech-Schwierigkeiten
Motivation: Sowohl die Sorge vor dem weiteren gesundheitlichen Niedergang, als auch eine entschiedene Abneigung der Patientin, in ihrem Zustand noch soziale Kontakte zu pflegen
Grund für die Wahl des Sterbefastens: Der Arzt beurteilte die Situation der Patientin im Vergleich zu anderen Heimbewohnern als weniger schlimm. Da keine zum Tode führende Krankheit vorlag, konnte er gemäss den Bedingungen in den Niederlanden (wo sich der Fall zutrug) keine Beihilfe zum Suizid in Aussicht stellen
Entscheidungsfindung: Verzweifelt von einem Tag auf den anderen; ohne jede Konsultation von Arzt, Pflegepersonal und Angehörigen. Der Arzt empfand den Beschluss, nichts mehr zu essen und zu trinken, als Erpressungsversuch und sah sich nicht als Helfer bei diesem Versuch, das Leben zu beenden.
Schwierigkeiten: Öfters Schmerzen, die mit Paracetamol unzulänglich bekämpft wurden; Schlafprobleme, die man durch Tabletten hätte verhindern können. Blasen und Schmerzen im Mund
Pflegerische Unterstützung: miserabel, vermutlich teils aus Abwehr gegen den Sterbebeschluss, teils aus Mangel an Kompetenz
Ärztliche Unterstützung: Keine täglichen Besuche; Verordnung eines Opiatpflasters erst am 10. Tag, ansonsten nur Paracetamol
Dauer: 11 Tage; die Patientin hatte ab dem zweiten Tag Essen und Trinken konsequent verweigert,
Tod: am 10. Tag verfiel sie in ein Koma und wachte aus diesem nicht mehr auf.
Bewertung seitens der Sterbenden: Sie empfand diesen Weg als erniedrigend und erlebte ihn sicher als schrecklich.
Sicht der Angehörigen im Rückblick: Sie hatten sich in dieser Situation nicht entschieden eingeschaltet, sondern eher zurückgehalten. Die Hauptursache für diesen Leidensweg lag ihrer Einschätzung zufolge in einem verhärteten Verhältnis zwischen Patientin und Arzt, weshalb über die defizitären Versorgungsbedingungen praktisch nicht kommuniziert wurde und notwendige Massnahmen unterblieben.
Anmerkungen: Von einem wohlvorbereiteten Sterbefasten kann hier keine Rede sein. Insofern ist der Fall untypisch: Er zeigt indessen deutlich, was geschehen kann, wenn jemand ohne Absprachen mit Angehörigen, Arzt und Pflegepersonal auf «Knall und Fall» mit dem Essen und Trinken aufhört, um den Tod herbeizuführen. Mithin ist er eine dringende Warnung vor unvorbereiteten Alleingängen.
Quelle: Chabot&Walther, 2012