Sterbefasten- Informationen zu FVNF 
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Fall 10: «Der Tod kam friedlich im Schlaf»

Alter: 56; Geschlecht: weiblich; Ort: Wohnung der Tochter (D)


Persönlichkeit:
Unternehmensberaterin; äusserst energisch, in der Kommunikation beeindruckend, sehr durchsetzungsfähig, in manchem eigenwillig.

Vorgeschichte: Sehr schlanker Typ (sie konnte magersüchtig wirken, war es jedoch nicht). Bei einem Südostasien-Urlaub zog sie sich eine Amöbenruhr zu. Nach einer mehrwöchigen antibiotischen Therapie und diversen weiteren Behandlungen war die Patientin in einen Zustand extremer Schwäche bei stark erniedrigtem Körpergewicht geraten, aus dem es nach vielen Monaten des Leidens und diversen ärztlichen Bemühungen keinen Ausweg mehr zu geben schien.

Motivation: Die Vorstellung, dass man versuchen könnte, mit invasiven Methoden doch noch eine Wende herbeizuführen, war der Patientin äusserst unangenehm; zudem erschien sie ihr ziemlich unrealistisch.

Grund für die Wahl des Sterbefastens: Sie machte sich kundig, mit welchen Methoden man sich das Leben nehmen könnte und was dies für sie persönlich bedeuten würde. Als sie auf das Buch von Chabot und Walther («Ausweg am Lebensende») stiess, wurde ihr bewusst, dass diese Art des Sterbens zu ihren Wertvorstellungen am besten passen würde.

Entscheidungsfindung: In gutem Einvernehmen mit ihrer Tochter, die ihr anbot, zu ihr und ihrer Familie für diese letzte Zeit umzusiedeln. Ein Palliativarzt, den sie um medizinische Begleitung gebeten hatte, lehnte ab, aber ein mit dem Sterbefasten bereits vertrauter Facharzt für Allgemeinmedizin ging auf ihren Wunsch nach reiflicher Überlegung ein.

Schwierigkeiten: Es gab wiederholt Durstbeschwerden, was teilweise an der sehr warmen Sommerwitterung lag, aber auch daran, dass der Patientin manche Hilfen für die Mundpflege nicht behagten. Folglich nahm sie durch häufiges Lutschen von Eiswürfeln täglich doch reichlich Flüssigkeit auf (öfters wohl deutlich mehr als 100 ml), was den Sterbeprozess mit Sicherheit verlangsamte.

Pflegerische Unterstützung: Gut vorbereitet und durchgeführt

Ärztliche Unterstützung: Häufige Besuche; an mehreren Tagen Gabe eines Benzodiazepins zur Verbesserung des Schlafes sowie zeitweilig auch gegen innere Unruhe.

Dauer: 24 Tage.

Tod: Die Patientin schlief die letzten drei Tage meistens. Der Tod kam friedlich im Schlaf.

Bewertung seitens der Sterbenden: Sie sah im Sterbefasten eine sehr gute Möglichkeit, aus dem Leben zu gehen. Durch einen glücklichen Zufall ergab sich die Möglichkeit, dies in Interviews zu dokumentieren, wozu sie gerne bereit war, um so ihrem Schicksal einen zusätzlichen Sinn zu geben, das heisst indem sie es in den politischen Rahmen der Debatte über Sterbehilfe stellte. Zitat: «Mir ist wichtig, dass verstanden wird, dass ich diese Interviews gebe, weil mir auch wegen meiner eigenen Erfahrung sehr daran gelegen ist, dass das Thema Sterben und auch durch Ärzte begleitetes Sterben aus der Tabuzone herauskommt, weil es, wenn Menschen ohne Hürden genauer hingucken können, ihnen enorm viel Leid erspart.»

Sicht der Angehörigen im Rückblick: Es war eine sehr intensive, verbindende Erfahrung, und diese hinterliess keinerlei Zweifel daran, dass es richtig gewesen war, die Patientin in ihrem Sterbewunsch zu bestärken.

Anmerkungen: Die Dokumentation dieses Falles ist beim Medienprojekt Wuppertal als DVD erhältlich (www.medienprojekt-wuppertal.de/v_184). Der Film über die Patientin Marion M. wurde 2013/2014 wiederholt öffentlich in Deutschland gezeigt, diskutiert und grösstenteils sehr positiv aufgenommen, zumal sich die Patientin sehr differenziert, lebhaft und eloquent über ihre Situation äußert (auch der betreuende Arzt und die Tochter kommen zu Wort). Manche Mediziner nahmen den Film jedoch mit Unbehagen auf, teils wegen der besonderen, sehr dominanten Persönlichkeit der noch jugendlich wirkenden Patientin (Indizien für eine psychiatrische Problematik?!), teils mangels detaillierter Einsicht in die Krankenakte, wodurch Zweifel entstanden, ob die Medizin, wenn man es richtig gemacht hätte, die Patientin nicht doch noch hätte retten können.

Quelle: Medienprojekt Wuppertal, betreuender Arzt und Tochter der Patientin.