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«TERMINATION BY DEHYDRATION»

Eine schwerkranke Frau möchte ihr Leben durch Sterbefasten vorzeitig beenden: Chefarzt Alois Haller beschreibt die Situation aus ärztlicher Sicht. Hinweis: Die juristischen Angaben zur Situation in Deutschland haben sich geändert.

Frau S. hat sich entschieden. Sie wünscht zu sterben, und zwar bald, oder noch besser sofort. Frau S. leidet an einem Hirntumor, einem Glioblastoma multiforme, welches vor drei Monaten operativ entfernt wurde, nunmehr aber rezidivierte und der Patientin epileptiforme Krampfanfälle bescherte. Sie hat sich mit ihren Kindern und ihrem Ehemann abgesprochen und tritt nun ins Spital ein, nicht um die medikamentöse Therapie der Anfälle zu optimieren. Frau S. wünscht zu sterben, auch wenn ihr die Ärzte noch mehrere Monate bei guter Lebensqualität attestieren.

Ein langsamer, beschwerlicher Weg

Eine Person beschliesst nach Absprache mit den Angehörigen und dem betreuenden Arzt ausdrücklich und freiwillig auf jegliche Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme zu verzichten und stirbt in der Folge an den Komplikationen der Dehydratation. Sie wählt mit diesem Verzicht auf Essen und Trinken einen langsamen und beschwerlichen, aber gangbaren Weg in Richtung baldiger Tod. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Betreuenden um diesen Umstand wissen, den Weg kennen und über mögliche Erleichterungen informiert wurden.

Während unter Dehydratation die Austrocknung des Körpers durch Abnahme des Körperwassers verstanden wird und unter terminaler Dehydratation das bewusste Zurückhalten von Flüssigkeit im Sinne einer therapeutischen Massnahme zur Symptomkontrolle in der Sterbephase von Patienten, bezeichnet der Begriff «termination by dehydration» oder «freiwilliger Verzicht auf Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr» oder «Verzicht auf Gabe künstlicher Nahrung und Flüssigkeiten» das bewusste Enthalten von Flüssigkeit und Nahrung im Sinne einer passiven Sterbehilfe. Der früher einsetzende Tod ist Ziel solchen Tuns und wird ganz bewusst in Kauf genommen (1).

Tagtägliche Pflege ist unerlässlich

Jemand, der sich für einen vorzeitigen Tod durch Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit entscheidet, sollte wissen, wie dies normalerweise verläuft, welche Probleme auftreten können und wie man sie vermeiden kann. Nicht alle Ärzte wissen das und nicht alle Ärzte wissen, wie man einen derartigen Sterbeprozess begleitet. Bevor jemand sich für diesen Weg entscheidet, muss die Beratung mit Familienmitgliedern oder anderen Personen des Vertrauens stattfinden, sowie nach Möglichkeit auch mit einem Arzt. Denn die tagtägliche Pflege durch Angehörige und Pflegepersonal ist in dieser Situation unerlässlich.

Vor der Durchführung eines Sterbefastens, wie der freiwillige Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit bei wachen und handlungs- und urteilsfähigen Patienten auch genannt wird, ist das Gespräch mit dem Patienten und seinen Angehörigen zu suchen und sind verschiedene Fragen zu klären.

Entscheidung im konkreten Einzelfall ist schwierig

Was führte zum Wunsch nach oder zum Angebot des Sterbefastens? Ist es die Unzufriedenheit mit der aktuellen therapeutischen Situation, die durch ausser Acht gelassene Alternativen noch zu verbessern wäre? Herrscht Transparenz zwischen Patient und Angehörigen, Pflegenden und Ärzten und Konsens was den weiteren Prozess betrifft?

Es sollte den Betreuenden bewusst sein, dass es nicht um allgemeine Wertvorstellungen, sondern um diejenigen des Betroffenen geht. «Der Arzt kann nicht 'das Gute' für seinen individuellen Patienten bestimmen, denn sein Wissen bezieht sich nur auf den begrenzten Teil medizinischer Erkenntnisse und ärztlicher Erfahrung. Sein ärztliches Urteil ist keineswegs identisch mit 'dem Guten für' einen individuellen Patienten. Im Dialog mit dem Patienten muss 'das Richtige' erarbeitet werden. Aber auch dies ist kein universelles 'gemeinsames Gutes', sondern wiederum die je individuelle Handlungsentscheidung» (2). Die Entscheidung zur Behandlung oder zum Behandlungsabbruch wird durch viele Faktoren beeinflusst. Konflikte entstehen dabei für den Arzt, wenn eine eindeutige Lösung aufgrund widersprüchlicher Faktoren nicht möglich ist, wenn sein ärztliches Selbstverständnis, Leben zu retten und Krankheiten zu heilen, angesichts einer unheilbaren Erkrankung nicht mehr zu verwirklichen ist, oder wenn die Umsetzung einer sinnvollen und effektiven Therapie an der Ablehnung des Patienten scheitert (3). Im konkreten Einzelfall ist die Entscheidung schwierig, denn «unser medizinisches Wissen sagt uns nur, was wir tun können (…), nicht aber, was wir tun sollten»(4).

Der Wille des Kranken ist oberstes Gesetz

Frau S. hat es uns gesagt. Sie wünscht zu sterben. Von der vorgeschlagenen Radiotherapie möchte sie nichts wissen, von einer Chemotherapie schon gar nichts. Sie fühlt sich nicht deprimiert, würde auch jederzeit mit einem Psychiater sprechen, wenn dies von uns gewünscht würde. Sie möchte einfach nicht länger auf das Unausweichliche warten müssen.

Nach dem Grundsatz «Salus aegroti suprema lex» (das Heil des Kranken ist oberstes Gesetz) wurde früher eine medizinisch indizierte Therapie durchaus auch gegen den Willen des Patienten in paternalisiertem Sinne durchgeführt, während heute die Autonomie des Patienten absolut vorrangig erachtet wird: «Voluntas aegroti suprema lex» (der Wille des Kranken ist oberstes Gesetz) (7). Für die medizinische Behandlung am Lebensende müssen Patient und Arzt somit eine Vielzahl medizinischer und ethischer Gesichtspunkte berücksichtigen, in deren Mittelpunkt der geäusserte oder mutmassliche Wille des Patienten steht.

Der britische «National Council for Hospice and Specialist Palliative Care Services» versteht unter «terminally ill» Menschen mit aktiver und progressiver Erkrankung, für welche eine kurative Behandlung nicht möglich oder nicht adäquat ist, und welche den Tod mit einiger Sicherheit innerhalb der nächsten 12 Monate verursachen wird (5). Der Schritt von der lebenserhaltenden, lebensverlängernden Unterstützung zu einem gezielten Loslassen ist schwierig. Er erfordert ein Umdenken von allen an der Betreuung beteiligten Personen. Die Frage wann der Patient in diese terminale Phase eintritt, ist schwierig und nie abschliessend zuverlässig zu beantworten. Es bleibt also für jeden an der Betreuung Beteiligten eine gewisse Unsicherheit über die Richtigkeit der getroffenen Massnahmen (6).

Patienten, die sich noch nicht in der Endphase ihrer Krankheit befinden, die aber den Tod beschleunigen möchten, fällt es häufig relativ schwer, mit dem Essen und Trinken gleichzeitig aufzuhören. Ein auf diese Weise durchgeführtes Sterbefasten dauert 20-30 Tage. Es gibt aber Hinweise dafür, dass dieses Vorgehen weniger unangenehm ist, als der gleichzeitige Verzicht auf Essen und Trinken. Bei manchen Erkrankungen gehört eine zunehmende Appetitlosigkeit und ein reduziertes Durstgefühl zur allgemeinen Symptomatik. Entschliessen sich diese Patienten für ein Sterbefasten, gelingt der Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit meist gleichzeitig und führt dann innert weniger Tage (5-7) zum Tode. Der appetitlose Krebspatient weiss allerdings meist nicht, dass er seine Leidenszeit erheblich verkürzen könnte, wenn er neben der Nahrung auch auf die Einnahme von Flüssigkeiten verzichten würde. Wenn ein entscheidungsfähiger Patient wiederholt den wohl überlegten Wunsch, bald zu sterben, geäussert hat, aus ärztlicher Sicht aber noch eine Lebenserwartung von mehreren Wochen oder sogar Monaten besteht, wird der Patient heutzutage üblicherweise nicht über die Möglichkeit des Sterbefastens aufgeklärt. Es ist ein verständliches Widerstreben von ärztlicher Seite, den Patienten bereits jetzt an diese letzte Phase seines Lebens heranzuführen und mit ihm zu gehen.

Von Vorteil, wenn ein Arzt das Sterbefasten begleitet

Frau S. hat sich durchgesetzt. Sie hat aufgehört zu essen, nur die Sache mit dem Trinkstopp bereit ihr noch Mühe. Noch trinkt sie die vom Pflegepersonal auf dem Nachttisch bereitgestellten Flüssigkeiten. Die Phase des starken Hungergefühls hat sie bereits hinter sich gelassen. Es traten keine weiteren Symptome auf. Sie fühlt sich ausgezeichnet, wach, alert und aktuell auch ohne Schmerzmittel völlig beschwerdefrei. Sie hat all ihre Medikamente abgesetzt. Nur das von den Ärzten dringend empfohlene Antiepileptikum nimmt sie noch ein.

Wenn der Patient das Trinken und Essen einstellt, stellt sich früh Hunger und Durst ein. Das Hungergefühl verliert sich üblicherweise nach etwa 4 Tagen und weicht einem häufig sehr wach und alert erlebten, meist schmerzfreien Zustand, welcher einige Tage anhält, um anschliessend einem immer tieferen Schlaf Platz zu machen (falls keine Flüssigkeitsaufnahme mehr stattgefunden hat). Nach einiger Zeit beginnt eine allgemeine Schwächung, welche der letzten Phase einer tödlichen Krankheit ähnelt, ohne dass Beschwerden wie Atemnot oder Schmerz auftreten würden. Die zunehmende Schläfrigkeit wird von einigen Patienten als unangenehm empfunden. Sie kann reduziert werden, in dem wieder etwas Flüssigkeit getrunken wird. Das verlängert zwar den Sterbeprozess, die Patienten können so aber noch an einer Kommunikation mit den Angehörigen teilhaben.

Manchmal treten in den ersten Tagen auch Kopfschmerzen auf, welche sich durch die üblichen Schmerzmittel gut behandeln lassen. Im weiteren Verlauf sind auch Verwirrtheitszustände (Delir) und Panikstörungen möglich. Sie sind glücklicherweise selten und lassen sich durch Benzodiazepine (Midazolam subcutan / Lorazepam als Supp.) oder sehr tief dosierten Neuroleptica (Haloperidol Tropfen 2%) in sinnvoller Zeit behandeln. Die Betreuenden sollten aber über diese möglichen Verläufe und deren Behandlung schon prophylaktisch aufgeklärt sein. Es ist von unschätzbarem Vorteil, wenn ein Arzt den Weg des Sterbefastens begleitet und den Patienten möglichst zweimal täglich besucht.

Während des Sterbefastens ist die Mundpflege intensiv und sorgfältig durchzuführen, um dem Patienten das Durstgefühl zu nehmen und seinen letzten Weg erträglicher zu machen. Die Mundpflege kann von einem Angehörigen oder einer Pflegefachkraft durchgeführt werden. Der Betreuende muss sich darüber bewusst sein, dass das Durstgefühl des Patienten allein durch die Trockenheit der Schleimhäute zustande kommt. Deren Befeuchtung kommt also eine grosse Wichtigkeit zu. Das Lutschen von Eiswürfeln oder gefrorener Fruchtstücke lindert den Durst, ohne dass dabei viel Wasser zugeführt wird. Eine Nasensalbe hilft die Austrocknung der Nasenschleimhaut zu verhindern. Pflegerische Massnahmen wie feuchte Wickel, sanfte Einreibungen mit feuchtigkeitsspendenden Lotionen und häufiger Lagewechsel beugen Druckstellen und Decubiti vor.

Nebenwirkungen werden oft gemildert

Da das Sterbefasten die gleichen Auswirkungen auf den menschlichen Körper wie die terminale Dehydratation der Palliativmedizin aufweist, werden auch die gleichen Symptome gelindert. Die Urinmenge reduziert sich und damit auch die Häufigkeit von Wasserlassen. Es müssen weniger Einlagen gewechselt werden. Die verminderte Produktion von Verdauungssäften geht mit seltenerem Erbrechen einher, diejenige des Rachen- und Bronchialsekretes mit weniger Karcheln, weniger Todesrasseln und selteneren Lungenoedemen. Der Wasserverlust bringt weiterhin eine Verminderung der Oedeme, der Pleuraergüsse und des Ascites (lindert Spannungsschmerzen) mit sich und stimuliert die vermehrte Ausschüttung körpereigener Endorphine, welche zu einer gewissen Euphorisierung und weniger Schmerzen führen. Werden in dieser Phase die Medikamente des Patienten reduziert oder gar gestoppt, ist auf die weitere Schmerzfreiheit und das Wiederaufflackern früherer Symptome bewusst zu achten.

Ist der Patient nicht entscheidungsfähig oder gar komatös und die «termination by dehydration» dem mutmasslichen Willen des Patienten entsprechend im Konsens mit den Angehörigen kommuniziert, wird auf die Gabe von künstlicher Ernährung und Flüssigkeit verzichtet. Um allfälligen Schmerzen vorzubeugen, wird bei diesen Patienten auch stets eine Analgo-Sedation durchgeführt. Diese wird üblicherweise mittels eines intravenösen Opioides in Kombination mit einem Benzodiazepin intravenös am Perfusor durchgeführt.

Drei Formen der Sedierung sind zu unterscheiden

Frau S. weilt seit 21 Tagen im Spital. Sie bekundet Mühe, das Trinken vollständig zu sistieren, ist aber weiterhin fest entschlossen diesen letzten Weg so zu gehen. Sie bittet um Schlafmittel, welche ihr auch tagsüber das Schlafen erleichtern sollen und damit auch ihr Sterbefasten.

In der palliativmedizinischen Literatur werden drei Formen von Sedation unterschieden:

- Ia: intermittierende Sedierung, Ziel: Bekämpfung der Symptome bei wechselnder Wachheit

- Ib: kontinuierliche Sedierung, anhaltendes Schlafen, Patient erweckbar. Bei diesen beiden Typen werden alle notwendigen Therapiemassnahmen (Beatmung, Dialyse, Medikation, künstliche Ernährung, Hydrierung) fortgeführt oder falls nötig auch neu begonnen.

- Eine Typ II Sedation beinhaltet eine kontinuierliche Sedierung. Der Patient ist tief komatös. Es sind keine Wachphasen mehr vorgesehen. Eine lebenserhaltende oder lebensverlängernde Begleittherapie ist nicht indiziert. Das Therapieziel ist Lindern von Leid am Lebensende mit gleichzeitigem bewusstem Verzicht auf die Gabe von Nahrung und Flüssigkeit.

Es ist medizinisch ethisch sinnvoll und juristisch zulässig bei der Analgesie einen möglicherweise früheren Todeseintritt in Kauf zu nehmen, wenn es auf andere Weise einfach nicht gelingt die Beschwerden des Patienten in Griff zu bekommen. Während bei einem wachen, vollkommen orientierten, beschwerdefreien Patienten die Durchführung einer terminalen Sedierung hauptsächlich der Bekämpfung von Durst und allenfalls dem Fehlen einer gewissen Disziplin bezüglich Trinken dient und mit der Überwindung innerer Widerstände von Seiten des verordnenden Arztes einhergeht, ist die gleiche Therapie bei einem über stärkste Schmerzen klagenden Patienten mit einem terminalen Krebsleiden nicht nur eine Entlastung für den Patienten, sondern auch für den Arzt und die weiteren Betreuenden. Als Alternative dazu bietet sich eine nur oberflächliche, reversible Sedierung an, bei welcher das Bewusstsein des Patienten zwar gedämpft wird, der Patient auf äussere Reize aber weckbar bleibt und nach seinem Befinden befragt werden kann. Die Angehörigen sind vor Aufnahme der Sedierung darüber zu informieren, dass allenfalls eine weitere Kommunikation mit dem Patienten nicht mehr möglich sein wird (7).

Der Wunsch auf einen frühen Tod muss wohlerwogen sein

Während in Deutschland ärztliche Tötung auf Verlangen verboten ist, jedoch Beihilfe zur Selbsttötung prinzipiell nicht strafbar ist, sind beide Formen von Sterbehilfe in den Niederlanden unter gesetzlich definierten Voraussetzungen straffrei, wenn sie von Ärzten geleistet werden (8).

In Deutschland ist jedem die Beihilfe zur Selbsttötung erlaubt, den Ärzten aber wird sie durch das eigene ärztliche Standesrecht verwehrt. Die Verleitung und die Beihilfe zur Selbsttötung bleiben im schweizerischen Recht straflos, ausser wenn sie aus einem eigennützigen Motiv erfolgen (Art. 115 StGB). Die Strafnorm dieses Artikels bedeutet nicht, dass die Beihilfe zum Suizid ethisch akzeptabel ist. Der Wunsch des Patienten auf einen frühen Tod muss wohlerwogen sein und soll nicht einer momentanen Krise entspringen. Die Entscheidung, ob jemand einer konkreten Person gegenüber Suizidbeihilfe leisten will oder nicht, ist ein Gewissensentscheid, den das Gesetz nicht vorwegnimmt. Des weiteren bedeutet die Straffreiheit keine Verpflichtung, dies im konkreten Fall auch zu tun.

Leidenslinderung ist ein medizinischer Auftrag

Frau S. erhält ein opioidhaltiges Schmerzpflaster und eine Benzodiazepin-Sedierung über eine Venen-Verweilkanüle (1mg Midazolam/h). Frau S. schläft, ist schmerzfrei und unter der kombinierten Analgosedation nicht mehr erweckbar. Sie ist ganz ruhig und entspannt. Ihre Atmung ist regelmässig, ihre Haut rosa. Sie ist auf ihrem Weg. Der Ehemann sitzt still wartend neben ihrem Bett. Er ist traurig und sehr erschöpft.

Die medizinischen Therapien am Lebensende sind häufig von wohl gemeinten leidenserleichternden Massnahmen geprägt. Viele dieser Massnahmen sind weder wirklich wissenschaftlich erprobt noch tatsächlich nützlich. So versterben viele Menschen bei laufenden Infusionen, obwohl der Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweis nicht erbracht ist. Müsste man nicht der Ansicht sein, dass die Flüssigkeitsgabe in der terminalen Phase des Lebens eine unnatürliche Antwort auf einen natürlichen Vorgang ist? Während die Verpflichtung zur Durchführung einer ausreichenden Schmerztherapie bei unheilbar Erkrankten selbst dann besteht, wenn eine unvermeidliche medikamentöse Nebenwirkung den Eintritt des Todes beschleunigen kann, so gibt es keine ethische Verpflichtung eine aussichtslose oder unnütze Therapie anzubieten oder durchzuführen.

Den medizinischen Auftrag der Leidenslinderung gilt es jedoch auch am Lebensende zu erfüllen, allerdings stets kritisch hinterfragt auch für so banale Dinge wie die Nahrungszufuhr selbst. Mahon MM et al. empfehlen mit der Ernährung aufzuhören, bei nahebevorstehendem und nicht zu verhinderndem Tod, bei schwerer neurologischer Schädigung, die zu fehlendem Bewusstsein führt und ein zielgerichtetes Handeln verunmöglicht, sowie bei Patienten mit eingeschränktem Kurz- und Langzeitgedächtnis in so ausgeprägtem Masse, dass die Person nicht länger als diese Person existiert.(9) Noch expliziter formulieren Pepersack und Binsbergen ihre Ansicht zur Flüssigkeitsgabe am Lebensende: «Künstliche Ernährung und Hydratation eines terminalen Patienten ist eine nutzlose Behandlung, die dessen Wohlbefinden nicht förderlich ist, hingegen zu Komplikationen führen kann. Die Beendigung dieser Massnahmen kann das Gefühl des Wohlergehens stärken. Künstliche Ernährung terminaler Patienten ist deshalb weder medizinisch noch ethisch zu rechtfertigen.» (10).

Literaturverzeichnis

1. Eychmüller S. Flüssigkeitssubstitution in der Terminalphase - eine kontroverse Diskussion. Schmerz 2001; 15:357-61.

2. Bockenheimer-Lucius G. Einstellung einer künstlichen Ernährung und kritische Anfragen an die Rechtsprechung. Ethik in der Medizin 2005;17:265-268.

3. Joppich R, Elsner F, Radbruch L. Behandlungsabbruch und Behandlungspflicht am Ende des Lebens. Anästhesist 2006, 55 :502-14.

4. Markmann G. Was ist eigentlich prinzipienorientierte Medizinethik? Ärzteblatt BW 2000; 56:499–502.

5. National Council for Hospice and Specialist Palliative Care Services. Artificial hydration for people who are terminally ill, consensus-document. Europ J Pall Care 1997; 4:124.

6. Schockenhoff E. Bestandteil der Basispflege oder eigenständige Massnahme? Moraltheologische Überlegungen zur künstlichen Ernährung und Hydrierung. Z Med Ethik 2010; 56: 131–142.

7. Jox RJ. Bewusstlos, aber autonom? Ethik Med 2004;16:401–414.

8. Neitzke G, Oehmichen F, Schliep H, Wördehoff D. Sedierung am Lebensende. Ethik in der Medizin. 2010; 22:139-147.

9. Mahon MM. Clinical Decision Making in Palliative Care and End of Life Care. The Nursing clinics of North America 2010; 45: 345-362.

10. Pepersack T, Binsbergen van J. J. Nutrition at the end of life. Patient care 2003; 53-58.

Quelle: Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 1/14

Bild:
Dr. med. Alois Haller, Chefarzt für Intensivmedizin am Kantonsspital Winterthur