Sterbefasten- Informationen zu FVNF 
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«Sterbefastende rund um die Uhr betreuen»

Wie sieht ein Mediziner, der pro Jahr über 300 Patienten palliativ begleitet, die Möglichkeit des Sterbefastens? Die Fragen beantwortet Dr. med. Andreas Weber: Er ist Spezialarzt für Anästhesie, Schmerztherapie und Palliativmedizin in Wetzikon.


Haben Sie in Ihrer Arbeit Patienten betreut, die durch Sterbefasten gestorben sind?

Dr. Andreas Weber: Ja, das kommt ab und zu vor.

Gibt es medizinische Probleme, die auftreten könnten?

Man muss unterscheiden, ob jemand nur mit dem Essen aufhört oder auch mit dem Trinken. Letzteres ist schwieriger, führt aber rascher zum Tod. Was sich ein Patient zumuten will, hängt auch stark von der Grundkrankheit ab. Bei fortgeschrittenem Krebsleiden ist oft sowieso kein Appetit mehr vorhanden. Manchmal fehlt auch das Durstgefühl, wenn der Mund regelmässig befeuchtet wird. Generell nimmt die allgemeine Schwäche zu, man mag nicht mehr aufstehen, man schläft immer mehr, bis zum Bewusstseinsverlust. Es können Phasen mit Verwirrung und Unruhe auftreten, allenfalls auch Übelkeit durch das Nierenversagen. Bei mehrtägiger Bettlägerigkeit können Druckstellen an der Haut auftreten.

Was ist bei der Betreuung vom Arzt, was vom Pflegepersonal zu beachten?

Patienten und Patientinnen, die diesen Weg am Lebensende wählen, sollten genauso begleitet werden wie alle anderen. Es sollte rund um die Uhr jemand bei ihnen sein. Dazu sind mehrere Angehörige, Freunde, Nachbarn oder Ehrenamtliche nötig, die ihre Präsenzzeiten beim Sterbenden untereinander koordinieren. Als Arzt sollte man Reservemedikamente bei Schmerzen, Unruhe, Übelkeit, allenfalls Muskelkrämpfen verschreiben, auch Schlafmittel, falls vom Patienten gewünscht. Diese Mittel sollten auch gespritzt werden können, falls ein Patient nicht mehr schlucken kann. Es sollten bei Bedarf rund um die Uhr Pflegefachleute vorbei kommen können. Zweimal tägliche Besuche durch Pflegefachleute sind in jedem Fall sinnvoll für die Körperpflege, Kleiderwechsel, Hautkontrolle, Umlagerung und anderes.

Können/sollen Angehörige bei der Betreuung mitwirken?

Unbedingt. Zu Hause ist dieser Weg ohne Angehörige kaum möglich und auch in einem Pflegeheim ist es für Sterbefastende ganz wichtig, auf diesem schwierigen, letzten Weg von vertrauten Menschen begleitet zu werden. Die Aufgabe der Angehörigen ist nicht die Pflege, aber die Präsenz, die Hand halten, ein paar Worte wechseln, vielleicht mal sagen «Ich habe Dich lieb», den Mund befeuchten und Hilfe holen, wenn sich die oder der Sterbende unwohl fühlt.

Welche ethischen Probleme stellen sich Medizinern und Fachpersonal beim Sterbefasten?

Grosse Mühe hätte ich mit diesem Weg, wenn jemand körperlich noch in sehr gutem Zustand ist. Das ist mir zum Glück nie passiert. Wie bei jedem Sterbewunsch muss man die Gründe ausführlich erörtern und wo immer möglich Hilfe und Alternativen anbieten. Oft lohnt es sich, den Patienten nochmals zu einem Versuch für eine gewisse Zeit zu motivieren. Wichtig ist auch, die Gründe für den Entscheid und die zu treffenden und zu unterlassenden Massnahmen schriftlich festzuhalten. Es sollte auch eine Person bevollmächtigt werden, bei nicht vorbesprochenen Fragen an Stelle des Sterbenden zu entscheiden.

Wie ist die Haltung der Ärzteschaft gegenüber dem Sterbefasten allgemein?

Wie bei allen Fragen zu Leben und Tod hat die Ärzteschaft auch hier unterschiedliche Meinungen. Mein Gefühl ist aber, dass die meisten Ärzte und Ärztinnen bei unheilbarer Krankheit in fortgeschrittenem Stadium den Entscheid der Patienten für diesen Weg akzeptieren können.

PETER KAUFMANN

Bild:
Dr. med. Andreas Weber, Spezialarzt für Anästhesie, Schmerztherapie und Palliativmedizin in Wetzikon.