Sterbefasten- Informationen zu FVNF 
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Expertenempfehlungen zum Umgang mit dem Sterbefasten

2023 veröffentlichten US-amerikanische Expertinnen und Experten in der Fachzeitschrift Journal of Pain Symptom Management diese Empfehlung:

Clinical Guidelines for Voluntarily Stopping Eating and Drinking (VSED)(1)

Adressaten dieser Empfehlung sind in erster Linie Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegefachpersonen. Für beide Gruppen wird als gemeinsamer Oberbegriff «clinicians» verwendet.

Die Darstellung ist übersichtlich, relativ knapp und gut verständlich. Als hauptsächliche Gruppe von Personen, die durch Sterbefasten vorzeitig aus dem Leben gehen möchten, werden Schwerkranke gesehen, mit deren Tod allerdings nicht schon binnen weniger Tage oder Wochen zu rechnen ist; andernfalls sei Palliative Care bis zum Lebensende gefragt. Explizit einbezogen werden auch diejenigen, die wegen der Diagnose Demenz ihr Leben bald beenden wollen. Nicht erwähnt, aber auch nicht explizit ausgeschlossen, sind Menschen, die aus anderen Gründen vorzeitig sterben wollen.

Wichtige Aspekte aufgeführt

Zu den wichtigsten Aspekten des VSED, vor allem Freiverantwortlichkeit des Sterbewilligen, gute Vorbereitung auf das Vorhaben sowie Linderung von Durstleiden sind in den Guidelines ausführliche Darstellungen enthalten, die sich weitgehend im Rahmen dessen bewegen, was bereits in Büchern dazu gesagt wird. Sie lassen aber immer wieder fundiertes Erfahrungswissen erkennen. Tiefer und ausführlicher als in Büchern werden die medizinischen Aspekte beziehungsweise die fallweise sinnvollen Medikamente behandelt.

Abschliessend seien noch zwei Punkte herausgegriffen:

a) Ein «Sterbefasten in Demenz», bei dem der Patient im noch freiverantwortlichen Zustand in einer Verfügung festlegt, dass man ihm in fortgeschrittener Demenz durch Vorenthalten von Nahrung und Flüssigkeit ein vorzeitiges Sterben ermöglicht, wird nicht besprochen. Dieses Thema sei zu schwierig und überschreite den Rahmen dieser Empfehlung.

b) In der Todesbescheinigung soll als Todesart ein natürlicher Tod und als unmittelbare Todesursache Dehydrierung angegeben werden.

Zu den Autor*innen dieser Guidelines:

Die Erstautorin, Hope Wechkin, ist Expertin für Palliative Care; Robert Macaulay ist Kinderarzt und Palliativmediziner; Paul T. Menzel ist Philosoph und seit langem mit dem Thema VSED beschäftigt; dies gilt auch für den Palliativmediziner Timothy E. Quill, der als einer der ersten Fachartikel über das Sterbefasten publiziert hat. Peter L. Reagan ist Facharzt (i.R.) für Allgemeinmedizin. Last but not least: Nancy Simmers hat 40 Jahre als Krankenschwester und ambulante Hospizhelferin (sog. death doula) gearbeitet und engagiert sich seit längerem bei der Initiative VSED Resources North West (2), die über Sterbefasten informiert und konkrete Unterstützung anbietet oder vermittelt.

1 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37352942/

2 https://vsedresources.com

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Anfang 2024 erschienen von der Königlichen Niederländischen Medizinischen Gesellschaft (KNMG), zunächst auf Niederländisch, dann auch auf Englisch (3), Empfehlungen zum Umgang mit Sterbefasten respektive dem Freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken (VSED) unter dem Titel:

Guide - Caring for people who stop eating and drinking to hasten the end of life.

2014 hatte die KNMG eine erste derartige, international einzig dastehende Version («Caring for people who consciously choose not to eat and drink so as to hasten the end of life») veröffentlicht. Diese war unter Beteiligung des Psychiaters Boudewijn Chabot zustande gekommen, der in einem Dissertationsprojekt über Sterbehilfe in den Niederlanden etwa hundert dokumentierte Fälle von Sterbefasten ausgewertet hatte. Erarbeitet wurden die erste wie auch die jetzige Version von Expertenkomitees (Pflegefachkräfte, Wissenschaftler und Ethiker) unter dem Vorsitz des Mediziners (i.R.) Alexander de Graeff. Massgeblich beteiligt an der Abfassung der neuen Version war Eva Bolt, Ärztin für Allgemeinmedizin (mit Schwerpunkt Familienmedizin; Amsterdam University Medical Center, UMC), die durch mehrere umfangreiche Erhebungen über den Freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken (wie die Übersetzung von «VSED» ins Deutsche lautet; abgekürzt FVET) hervorgetreten ist.

Wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse

Diese Handreichung hat einen beträchtlichen Umfang (150 Seiten). Sie bietet nach einer Überschau über das Thema in Teil 1 zunächst eine detaillierte Zusammenfassung der Forschung. Dieser Teil dürfte wohl in erster Linie für wissenschaftlich orientierte Fachleute wichtig sein. Die mehr an der Praxis Interessierten, also in erster Linie Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegefachkräfte, aber auch hospizlich Engagierte, erhalten zunächst einen Überblick über die rechtlichen und ethischen Aspekte. Im Teil 2 werden ausführliche Hinweise zu den Vorbereitungen eines Sterbefastens sowie dessen praktischer Durchführung geben. Für diese wird unterschieden zwischen einer initialen, einer mittleren und der Sterbephase. Eine ganze Reihe möglicher medizinischer Komplikationen, die beim FVET auftreten könnten, werden vorgestellt. Sehr konkret werden die möglichen Medikamente aufgelistet, die fallweise zum Einsatz kommen können. Bei schweren, dauerhaften Problemen wird Palliative Sedierung als legitim angesehen; allerdings sollten dafür einige Voraussetzungen erfüllt sein (Kap. 4.5).

Besonderes Thema: Sterbefasten in Demenz?

In Teil 3 wird das, was man ein «Sterbefasten in Demenz» nennen könnte, analysiert, und zu den rechtlichen, ethischen und praktischen Aspekten werden Hinweise gegeben. Es handelt sich hier zunächst um Personen, die entweder vorsorglich beim Abfassen ihrer Patientenverfügung auch die Möglichkeit berücksichtigt haben, dass sie später an einer Demenz erkranken könnten. Es geht aber auch um Menschen, welche die Diagnose Demenz vor kurzem erhalten haben und nun – noch (!) freiverantwortlich – in einer Verfügung festlegen, dass sie in einem fortgeschrittenen Stadium der Demenz vorzeitig sterben wollen, indem ihnen von den Betreuenden keine Nahrung und Flüssigkeit mehr verabreicht wird. Es wird offengelassen, wie in der Verfügung der Punkt, ab dem man nicht mehr weiterleben möchte, festgelegt wird (etwa ab welchem Grad der Demenz oder beim Auftreten welcher Symptome). Gegeben sein soll dieser Zeitpunkt in jedem Fall dann, wenn der Patient zu erkennen gibt, dass er nicht mehr essen und trinken möchte. Diese Art der Lebensbeendigung kann man als eine Art vorausverfügter Tötung auf Verlangen bewerten. Anders als in den Niederlanden wird sie in den deutschsprachigen Ländern als illegal gelten müssen.

3 https://www.knmg.nl/actueel/publicaties/publications-in-english

CHRISTIAN WALTHER