Antworten zu medizinischen Fragen und Tipps zu wichtigen Aspekten der Pflege.
Die Vorstellung, in einer Katastrophensituation verhungern und verdursten zu müssen, ist für uns alle grauenvoll. Doch beim Sterbefasten haben wir andere Bedingungen.
Aus Heilfastenkuren weiss man, das nach kurzer Zeit Hungergefühle fast vollständig verschwinden. Wie anderswo bereits dargelegt, fällt zudem vor allem älteren Menschen der Verzicht auf Nahrung oftmals nicht sehr schwer. Verzichtet man konsequent auf das Essen und nimmt man auch keine Kohlenhydrate mit Getränken auf, dann ist das Hungergefühl nach zwei bis vier Tagen erloschen.
Die Durstgefühle bleiben meist länger bestehen, können aber durch die bereits anderswo beschriebene professionelle Mundpflege gut ertragen werden. Gerade hier zeigt sich die liebevolle Zuwendung von Angehörigen und Pflegenden, die einen Menschen beim Sterbefasten unterstützen.
Aus einer grundlegenden Studie aus dem US-Staat Oregon ist zudem bekannt, dass die meisten von über 100 befragten Pflegenden, die ein Sterbefasten begleitet hatten, den Sterbevorgang als gut und eher friedlich einstuften. Es empfiehlt sich, hierzu unsere Fallbeispiele zu lesen.
Weitere Überlegungen zu derartigen Fragen finden sich in den FAQ im Teil 3 «Ist Sterbefasten ethisch und rechtlich erlaubt?» in der Rubrik «Wie ist das Sterbefasten ethisch und rechtlich einzuordnen?»
Es ist das Recht einer urteilsfähigen Person, Flüssigkeit und Nahrung abzulehnen. Das muss man respektieren. Sehr hilfreich kann dabei eine spezifische schriftliche Erklärung der sterbewilligen Person sein (siehe z.B. Chabot/Walther, Anhang). Angehörige und / oder Pflegende können aber – auch um ihr Gewissen zu beruhigen – in Reichweite der / des Sterbewilligen ein Glas Wasser stellen und gelegentlich etwas zu essen anbieten. So lässt sich die Entschiedenheit der / des Sterbewilligen prüfen, doch sollte man das allenfalls in den ersten Tagen tun. Wird dies von der sterbewilligen Person abgelehnt, so muss man es unterlassen. Zu bedenken ist auch, dass sich der Sterbevorgang verlängert, wenn solche Angebote teilweise angenommen werden.
Die Betreuung und Dauerpflege eines sterbenden Menschen durch seine Angehörigen ist immer eine zeitaufwändige Aufgabe und kann durchaus auch zu einer grossen seelischen Belastung werden. Im Vergleich mit dem üblichen Sterbeprozess verursacht das Sterbefasten für die Angehörigen in der Regel nicht viel mehr pflegerischen Aufwand.
Jedoch kann es Angehörigen durchaus Probleme bereiten, dass ein geliebter Mensch nun tatsächlich freiwillig vorzeitig aus dem Leben scheidet. Auch fällt es ihnen zum Teil anfangs schwer zu akzeptieren, dass die Zuwendung nicht mehr im Anbieten von Essen und Trinken zum Ausdruck kommt, sondern nur noch durch die nun nötigen Pflegetätigkeiten. Andererseits ist das Sterbefasten eine langsame und behutsame Art des Sterbens, die es den Angehörigen erlaubt, vom Sterbenden allmählich und in Harmonie Abschied zu nehmen. Wenn sich das Sterbefasten länger hinzieht und womöglich Komplikationen hinzukommen, dann sollten Angehörige sich unbedingt nicht zu spät Entlastung durch professionelle Pflegekräfte organisieren.
Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass die Begleitung Sterbefastender in erster Linie ein Teil der palliativen Pflege ist und somit eine Aufgabe von Angehörigen, von Ärzten und vom Pflegepersonal. Angehörige und Fachpersonen müssen aufgrund ihrer eigenen moralischen Wertvorstellungen entscheiden, ob sie diese Aufgabe erfüllen können – sowohl grundsätzlich als auch jeweils in Anbetracht der gegebenen Situation beziehungsweise Motivation der sterbewilligen Person.
Weitere Überlegungen zu dieser und anderen Fragen finden sich in den FAQ im Teil 3 «Ist Sterbefasten ethisch und rechtlich erlaubt?» in der Rubrik «Wie ist das Sterbefasten ethisch und rechtlich einzuordnen?»
In der Schweiz hat für die Ärzte die Selbstbestimmung des Menschen in der Sterbephase hohe Bedeutung, und dies gilt im Prinzip auch für Deutschland und Österreich. Daher verstehen sie das Sterbefasten bei Patienten, die in absehbarer Zeit wegen einer Erkrankung sterben werden, auch nicht als Suizid, sondern als eine Möglichkeit, das Leben selbstbestimmt zu verkürzen und zu beenden.
Beim Sterbefasten sehen die meisten Palliativmediziner vorab ihre Aufgabe darin, einen Menschen in seiner letzten Lebenszeit sorgsam medizinisch zu betreuen – genau so wie bei Patienten, die an ihrer Grunderkrankung sterben. Wenn der Hausarzt oder ein anderer betreuender Arzt aus ethischen oder religiösen Gründen nicht bereit ist, beim Sterbefasten mitzuwirken, so sollte ein anderer Arzt gesucht werden.
Die juristische Perspektive hängt von den Regelungen zu Suizid und Suizidhilfe in den drei Ländern ab sowie davon, ob es eine rechtsverbindliche Aussage dazu gibt, ob Sterbefasten Suizid ist oder nicht. In der Schweiz und in Deutschland ist Suizid und Suizidhilfe legal. Anders in Österreich: Dort ist prinzipiell nicht auszuschliessen, dass die Unterstützung beim Sterbefasten rechtlich als Beihilfe zum Suizid bewertet wird, so lange die bisherige Rechtslage fortbesteht.
Dies ist eine Frage des Standpunktes und der langfristigen Betrachtung – abgesehen davon, dass der Betreuungsaufwand von Patient zu Patient stark variiert. Es hängt auch von effizienter Vorplanung und Organisation ab. Alle zwei Tage ein Hausbesuch des Arztes wäre wünschenswert, aber vor allem eine durchgängige telefonische Erreichbarkeit. Auch wenn man in diesem Zusammenhang nicht gerne von Aufwand reden möchte, möchten wir dennoch darauf hinweisen, dass ein kranker Patient mit schlechter Prognose womöglich viele Wochen oder noch Monate länger zu betreuen wäre, falls er sich nicht zur vorzeitigen Beendigung des eigenen Lebens entscheidet, weil man ihm zum Beispiel keine Unterstützung dafür anbietet..
Weitere Überlegungen zu dieser und anderen Fragen finden sich in den FAQ im Teil 3 «Ist Sterbefasten ethisch und rechtlich erlaubt?» in der Rubrik «Wie ist das Sterbefasten ethisch und rechtlich einzuordnen?»
Tatsächlich muss in vielen Fällen der Arzt beim Sterbefasten nicht oder nur minimal eingreifen. Wir raten jedoch grundsätzlich dazu, von Anfang an einen Arzt beizuziehen, der die palliative Pflege überwacht und, falls medizinische Komplikationen eintreten sollten, alle notwendigen Massnahmen veranlasst. In der palliativen Pflege gibt es verschiedene Möglichkeiten, die es dann gestatten, auch bei allfälligen Komplikationen mit dem Sterbefasten fortzufahren. Wenn kein Arzt das Sterbefasten begleitet, muss eventuell ein Notarzt gerufen werden, der in der Regel den sterbenskranken Menschen in die Intensivstation einer Klinik einweist, wo routinemässig – und genau betrachtet gegen den Willen des / der Sterbenden – alles versucht wird, um den Zustand zu stabilisieren.
Die kompetente Pflege einer sterbenden Person und besonders Palliative Care ist an und für sich meistens recht aufwändig. Im Idealfall verteilt sich diese Aufgabe auf Angehörige und Freunde einerseits und auf geschultes Pflegepersonal andererseits, das für diese Aufgabe bezahlt wird. Gegen Ende des Sterbefastens oder an schwierigen Tagen kann durchaus eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung erforderlich sein. Dann muss dafür gesorgt werden, dass alle Beteiligten hinreichend Pausen und Schlaf bekommen.
In der allerletzten Lebensphase stellt sich ganz generell bei Sterbenden häufig eine körperliche Unruhe und geistige Verwirrtheit ein (psychomotorische Unruhe, Delirium). Dies mag beim Sterbefasten etwas häufiger sein als bei anderen Sterbeverläufen. Laut einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften kommt es bei 40 bis 50 Prozent der Sterbefastenden vor.
Die Ursache ist eine organische Veränderung des Gehirns aufgrund von veränderten Stoffwechselprozessen (Flüssigkeitsmangel, Unterzuckerung, etc.). Diese werden manchmal durch die Wechselwirkungen mit noch notwendigen Medikamenten (Morphinen etc.) verstärkt. Mit dem Sterbeprozess wenig vertraute Personen interpretieren dies oft als Angst- oder Panikattacken und belastende Schmerzreaktionen. Es ist wichtig, dass die Betreuenden diese Möglichkeit im Blick haben und gegebenenfalls umgehend den Arzt beiziehen, welcher hier stets medikamentös intervenieren kann.
Generell können, um die Situation für den Sterbenden und die Angehörigen erträglicher zu gestalten, vom Arzt beruhigende Medikamente verordnet werden. Diese können zum Beispiel unter die Zunge des angefeuchteten Mundes gelegt werden. Nur sehr selten ist eine sehr tiefe Beruhigung notwendig (palliative Sedierung). Laut der oben erwähnten Studie wurden etwa 10 Prozent der Sterbefastenden in den letzten Tagen kontinuierlich sediert, 36 Prozent erhielten eine kürzere Sedierung nach Bedarf.
Diese Haltung ist nicht korrekt und dürfte eher selten sein. Ein Delirium wird von einigen konservativen Palliativ-Fachleuten oft als eine wichtige Stufe vor dem Tod empfunden, die «nötig sei», die man «durchhalten» und bewusst erleben sollte. Diese Fachleute setzen in der Regel auch die Sedierung eher sparsam und vorsichtig ein. Angehörige, die Sterbefastende betreuen und deren Entschluss mittragen, können sich über die Einstellungen der professionell Helfenden zu diesem Thema vorab informieren. Unter Umständen empfiehlt es sich, einen anderen Arzt oder anderes Pflegepersonal beizuziehen.
Das ist grundsätzlich möglich. Sollte jedoch im Verlauf des Sterbefastens ein Delirium auftreten, so wird dies ohne die herkömmlichen Medikamente allerdings kaum adäquat behandelbar sein.
Nein. EXIT und palliacura sehen die Betreuung von Sterbefastenden in erster Linie als eine Aufgabe im Bereich der Pflege von Sterbenden sowie der Palliative Care. Die nötige umfassende Betreuung meist rund um die Uhr muss in erster Linie von Angehörigen, Ärzten und Pflegepersonal geleistet werden.
Nein. EXIT und palliacura sehen das Sterbefasten nicht als einen Vorgang, der eine Suizidbegleitung nötig macht. Sie bieten daher keine Ausbildungen oder Kurse an.
Das FAQ-Dokument Sterbefasten erstellten Christian Walther und Peter Kaufmann exklusiv für die Stiftung palliacura.
Die Autoren danken der Juristin Ilona Bethlen und der Ärztin Dr. Marion Schafroth für die fachliche Beratung.
©-right: Stiftung palliacura, Zürich, 2020